Der Winter geht, die Sonne kommt raus. Spätestens jetzt fangen viele Menschen an, gegen den Winterspeck aktiv zu werden. Wie Sie auch die überflüssigen Pfunde (=Kontakte) aus ihrem beruflichen Netzwerk herausbekommen erfahren Sie hier.
“Networker lieben Menschen und werden Messies.” (Klaus Eck)
“Uuups, das ist aber ordentlich eingelaufen…”, so fluche ich laut vor mich hin. Das rote Polohemd vom letzten Sommer zwickt und zwackt vorne und hinten. Ob es überhaupt mir gehört, so eng? Ich quetsche mich aus dem Teil heraus und begutachte frustriert meine Liebes-Henkel. Jene unvorteilhaften Speckpölsterchen über dem Gürtelansatz, die sich über den Winter immer gut versteckt halten. “Es wird nicht leichter von Jahr zu Jahr, dieses Spiel”, denke ich mir. Und werfe das rote Ding in hohem Bogen weg. Weg mit dem Fummel, ran an die Sportgeräte, das Frühjahr kann kommen!
Ja, ja, ich weiß, es geht nur mir so. Sie haben natürlich immer gut aufgepasst auf Ihre Figur!
Wie Sie sowieso gut aufpassen, auch sonst. Zum Beispiel wenn Sie regelmässig Ihren Kalender durchsehen, oder Ihr Adressbuch.
Alles stets in bester Ordnung. Alles unter Kontrolle. Alles nur gut gepflegte Kontakte, privat wie beruflich. Stimmt´s?
Also gut, für Leute wie mich sind jetzt die folgenden Zeilen hier gedacht. Für die Nicht-soo-Perfekten. Denn auch in meinem Netzwerk gibt es so etwas wie, na ja, Winterspeck eben. Über längere Zeit Angehäuftes, sagen wir mal.
Jeder weiß es, kaum einer will es wahr haben, fast niemand spricht darüber. Höchste Zeit das sich das ändert.
Der Realität ins Auge blicken
Das amerikanische Business Netzwerk BNI, für das ich lange tätig war, behauptet seinen Gästen gegenüber oft, im Durchschnitt kenne jeder von uns bis zu 1.000 Leute. Auch wenn damit eher aktive Geschäftsleute gemeint sind, ich konnte diese Zahl nie nachprüfen.
Bei facebook haben wir im Schnitt 338 Freunde, bei XING über 200 Business Kontakte.
Sicherlich schwankt das recht stark. Je nach beruflichem Hintergrund, je nach Ausbildung oder sozialer Herkunft sind hier große Varianzen zu erwarten. Nun gut, so ist die Realität.
Und, wie sieht es bei Ihnen aus?
Digitale Kontakte auf Linked in und XING
Ich für meinen Teil zähle aktuell 717 Kontakte auf LinkedIn, und 1072 auf XING. Bei facebook und Twitter bin ich nicht aktiv.
Bringe ich damit viel auf die Waage des Online Networkings? Oder doch eher wenig?
“Zum Glück gibt es ja noch die Offline-Welt!”, sagen Sie jetzt vielleicht. Ja, es gibt also auch noch Kontakte die nicht digital mit mir vernetzt sind.
Wir vergessen das heute schnell: selbst facebook als größtes Online-Netzwerk hat in Deutschland “nur” 31 Millionen Nutzer. Die Mehrheit von uns ist also dort gar nicht erreichbar. Ähnlich dürfte es bei den Business-Netzwerken aussehen.
Kontakte auf dem Schreibtisch
Zu meiner Realität gehören auch heute noch Kontakte, von denen ich zunächst einmal nur die Visitenkarte erhalten habe.
Und, ja, das ist leider richtig, ess sind Personen die ich
- entweder noch nicht online “connected” habe, oder (mangels Zeit oder Fokus)
- die weder bei LinkedIn noch bei XING zu finden sind (also “Offliner” sind), oder
- bei denen ich nicht sicher bin ob ich in Kontakt bleiben will (keine Entscheidung getroffen), oder
- die aus anderen diffusen Gründen noch ungeklärt sind (open loops)
Aktuell zähle ich auf meinem Schreibtisch sowie in meiner alten, schönen Weinkiste aus Holz (meinem Visitenkarten-Zwischenlager) locker noch etwa 400-500 Kontakte zusätzlich. Kontakte mit Fragezeichen dahinter, wenn man so will.
Alles dies sind Menschen, denen ich irgendwann in den letzten Jahren persönlich begegnet bin, und die zumindest nicht so abstossend waren dass ich deren Karte sofort entsorgt hätte (ja, das mache ich auch, vor allem bei toxischen Personen)
Adressbuch-Check
In meinem persönlichen Adressbuch zähle ich momentan genau 1734 Kontakte. Dazu noch 338 von denen ich nur die Emails besitze, weil ich mich mit ihnen irgendwann einmal per Mail ausgetauscht habe.
Und? Habe ich da jetzt schon zuviel Speck angelegt, Ihrer Meinung nach?
Gesamt-Bilanz im Blick
Ich stehe also jetzt gewissermaßen vor dem Netzwerker-Spiegel, schaue hinein und beantworte die Frage ob das alles jetzt irgendwie zuviel ist mit meinen geschätzten rund 1.800-2.000 Netto-Kontakten (Dubletten abgezogen). Meine eigene Antwort kommt spontan und sie lautet: “JA, das ist zuviel! Das ist MIR zuviel.”
Less is more, oder: wann ist eigentlich zuviel des Guten?
Bitte verstehen Sie mich richtig. Soziale Netzwerke machen es uns heute so leicht wie niemals zuvor, neue Kontakte zu knüpfen und auszubauen. Und als digitales Adressbuch helfen Sie uns sehr, auch über stressige Phasen verschiedenster Jobwechsel und Projekte hinweg noch zu wissen wo der andere steckt.
Aber das digitale Kontaktemachen wird auch bei XING und LinkedIn immer leichter gemacht, es braucht oft nur noch einen Klick . Und sogar das Kontaktieren ohne jede individuelle Ansprache ist aktuell zum Standard geworden. Das liegt natürlich an den Geschäftsmodellen der Platformen, die auf steigende Reichweite und damit grössere Vermarktungsmöglichkeiten bauen.
Es gibt aber offenbar Grenzen. Und die liegen in uns selber, bei dem Menschen. Mehr Kontakte führen zu abnehmendem Grenznutzen.
Zumal, wenn wir tragfähige Beziehungen im Geschäftsleben suchen. Einen verlässlichen “inneren Kreis” an Personen um uns scharen wollen, die auf Augenhöhe daran arbeiten sich gegenseitig weiter zu bringen. Zu geben, nicht nur zu sammeln oder zu nehmen.
Ich kann es nicht beweisen, aber nach meiner Erfahrung und Einschätzung liegen wir beim Thema “tragfähige Beziehungen” sogar noch deutlich unter 150 Personen. Dies ist zumindest die Zahl, die auf den Forschungen des britischen Antroposophen und Psychologen Robert Dunbar, zurückgeht, der eine Kontaktzahl von 150 Menschen als natürlich gegeben hält.
Vielleicht sind es sogar nur ein oder zwei Duzend Menschen im professionellen Umfeld, und noch etwa ein weiteres Duzend im Familien- und Freundeskreis. Also eher unter 40 Personen. Aber das liegt sicher an meiner Definition von “guter Beziehung”.
Frühlings-Diät – in nur 7 Sekunden abnehmen!
Kommen wir zum Punkt. Der Netzwerk-Speck muss also weg, damit der Blick auf die wesentlichen, ausbaufähigen Kontakte frei wird.
Hierzu habe ich eine ganz einfache Methode entwickelt, die Sie nur 1 oder 2 mal im Jahr so anwenden brauchen: die 7-Sekunden Methode!
Zur Vorbereitung legen Sie lediglich alle unbearbeiteten Visitenkarten in einem Stapel vor sich auf den Tisch. Oder Sie loggen sich in Ihr Business-Netzwerk ein.
Nehmen Sie jetzt eine Visitenkarte, oder gehen Sie Ihr Kontakte-Netzwerk online durch (am besten immer nach derselben Logik suchen, z.B. Personen in bestimmten Städten, nach bestimmten Stichworten oder schlichtweg nach dem Alphabet).
Sie sind soweit? Gut, denn der Rest ist sehr simpel:
Blicken Sie auf die Visitenkarte oder das Online-Profil der jeweiligen Person, und nehmen sie sich genau 7 Sekunden Zeit zur Beantwortung dieser beiden Fragen:
- Wer ist diese Person und woher kenne ich sie?
- Will ich den Kontakt mit diesem Menschen ausbauen oder nicht?
Nur, wenn Sie beide Fragen spontan und eindeutig beantworten und wirklich auf der Beziehungs-Ebene weiter-arbeiten möchten, nur dann sollten Sie diese Visitenkarte behalten. Oder den Online-Kontakt. Und etwas tun damit!
Ansonsten: weg damit in den Papierkorb! Digital gilt dasselbe: einfach lautlos wegklicken. Es tut gar nicht weh, geht in 1 weiteren Sekunde.
Ausmisten ist alternativlos
Ich würde Ihnen ja gerne etwas anderes raten, aber es hilft nichts. Sonst werden Sie halt wie ich zum dicken Networking-Messie. Konsequentes Ausmisten ist der einzige Weg dagegen!
Bei der 7-Sekunden-Methode macht es Sinn, die übrig gebliebenen Visitenkarten im Anschluss sofort weiter zu bearbeiten oder direkt am nächsten Tag auf die To-do-Liste zu setzen. Auch gut ist, wenn Sie sich bei dem Prozess Notizen auf einem leeren Blatt machen und Sie so die aufkommenden Gedanken und erforderlichen Aktionen sammeln können.
Regelmäßigkeit hilft
In der Diät-Industrie ist das regelmässige, kurze Fasten derzeit der letzte Schrei. Statt mit Brachialgewalt 20 Kilo runterzuprügeln setzt man heute auf das häufigere Einbauen von kurzen Fastenzeiten.
Auch zum Entschlacken Ihres Netzwerkes lässt sich dieser Ansatz gut wählen. Alle 3 Monate einmal einen Detox-Tag einlegen, alle 3 Monate einmal Ihr Adressbuch und ihren Visitenkartenstapel durchforsten. Online wie Offline.
Less is more, und bringt auch mehr
Sie werden eines sehr schnell merken. Übung macht den Meister, und vor allem verlieren Sie die Angst vor der Verlust-Angst. Positiv ausgedrückt: jedesmal wenn ich mir die Zeit für eine Kontakte-Diät nehme fühle ich mich anschließend angeregt und bereichert. Denn jedes mal endet der Prozess damit, dass ich mit den mir wichtigen Personen in einen erneuten Austausch trete. Es ist der nötige Kick der -selbst gewählten- Entscheidung “Weiter? Oder erstmal Pause?”, der mich immer wieder dazu bringt, aktiv zu werden. Den Anruf zu machen, der längst überfällig war, oder schnell online eine Message zu schicken.
Aber eben bei denen, die ich “behalten” will. Und nur bei denen.
Und wie geht es mir heute mit dem roten Polohemd? Nun, es spannt leider immer noch. Aber inzwischen habe ich herausgefunden: es war tatsächlich das Shirt meines Sohnes!
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