Anhauen, umhauen, abhauen. Nach dieser Devise handeln viele Verkäufer. Hauptsache der Deal ist gemacht, nach mir die Sintflut.
Dabei ist es viel intelligenter und auch kostengünstiger die Perspektive über den eigentlichen Kaufabschluss hinaus zu erweitern. Um gute Beziehungen zu entwickeln. Ein hervorragendes Instrument hierfür sind die sogenannten “Kuschel-Calls”, scheinbar absichtslose Anrufe mit großer Wirkung. In diesem Beitrag zeige ich Ihnen wie das geht.
Transaktion teurer als Relation
Wenn wir in unseren Geschäftsbeziehungen nur auf das Erzielen von Abschlüssen Wert legen laufen wir Gefahr die Beziehungsebene zu vernachlässigen. Im Endeffekt bezahlen wir dann später den Preis dafür. Mit kurzen Kunden-Verweildauern oder gar hohen Storno-Quoten (unter letzterem leiden übrigens fast alle Finanz-Vetriebe).
Wie die die Unternehmensberatung Mummert und Partner herausfand sind die Kosten zur Gewinnung neuer Kunden bis zu fünf mal höher als die Kosten für die Kundenbindung.
Es rechnet es sich also in vorhandenee Beziehungen (Relationen), zu investieren. Weg zu gehen von der reinen Produkt-Ebene hin auf die persönliche Ebene.
Relation bedeutet Zeit-Investition
Aber bekanntlich gibt es ja leider nichts geschenkt im Leben. Und so bedeutet der Aufbau von guten Beziehungen auch deutlich mehr Zeitaufwand als das uni-direktionale Streben nach einem Geschäftsabschluss. Diese Kröte gilt es zu schlucken, es geht kein halt Weg vorbei an dem Zusammenhang zwischen Höhe der Zeit-Investition und der Güte der Beziehungen.
Beziehung ist immer persönlich
Und noch etwas muss klar formuliert werden: gute Kundenbeziehungen aufzubauen bedeutet nicht nur Zeit, sondern auch noch Ihre persönliche Zeit. Delegieren ist nicht. Oder zumindest nicht so ohne weiteres. Das gilt ganz besonders für die scheinbar absichtslosen Anrufe, diese Kuschel-Calls (hier ein lesenswerter Beitrag von Steffen Ritter).
Wann Kuschel-Calls hilfreich sind
Gut, Sie machen also die Anrufe, und Sie machen Sie selbst. Wann ist nun der beste Moment in der Entwicklung Ihrer Geschäftsbeziehung gekommen um telefonisch “einfach mal so” zu punkten?
Die folgenden Überlegungen beziehen sich bewusst auf die Gruppe der Kunden. Kundenbeziehungen sind uberlebensnotwendig und deshalb besteht auch hier der größte Handlungsbedarf.
Wenn Sie bisher wenig Erfahrung mit Kuschel-Anrufen bei bestehenden Kunden haben, rate ich Ihnen ganz pragmatisch: melden Sie sich grundsätzlich zeitnah nach dem ersten Kaufabschluss (z.B. innerhalb von etwa 1-3 Wochen). Hier ist Ihr Kunde am anfälligsten für die sogenannte Kaufreue und ist im Umkehrschluss meist sehr offen für eine Bestätigung dass seine gerade erst getroffene Entscheidung richtig war.
Und, genau, Sie haben es erkannt: fast kein Kunde bekommt heutzutage Anrufe nach dem Kauf, vielleicht mal von schablonenartigen Call-Center-Zufriedenheits-Befragungen abgesehen. Anrufe erfolgen meist nur vor dem Kauf, während des eigentlichen Anbahnungsprozesses oder allenfalls im Zusammenhang mit der Auftragsabwicklung selbst. Bestens also für Sie, Ihr Kuschel-Call fällt damit noch mehr aus dem Rahmen!
Ein weiterer Aspekt hat mit Konditionierung zu tun. Er spielt besonders bei längerfristig ausgelegten Vertragsbeziehungen eine herausragende Rolle (z.B. bei Steuerberatungen, Unternehmensberatungen, Vermögensberatern, Software/-Lizenz-/Miet-/Leasing-Geschäften usw.). Denn hier spielt die Prägephase direkt nach dem Kauf eine entscheidende Rolle: es beginnt die Implementierungs- oder Leistungsphase. Die Lernkurven und die Lernbereitschaft sind jetzt hoch die jeweiligen Erwartungen an den Charakter Ihre Beziehungen wir maßgeblich vor-programmiert. Alles ist ja für alle noch “neu”, die jeweiligen Erwartungen warten auf Erfüllung oder Enttäuschung.
In Ihren anderen Gesamtgeschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Händlern, Kooperationspartnern und auch Mitarbeitern gibt es ebenfalls emotional komplexe Erwartungs-Fenster, die Sie sich vor Augen führen sollten um den richtigen Zeitpunkt für Ihren Anruf zu wählen. Diese können auch in den Personen selbst liegen, denn manche Menschen erwarten oder brauchen schlichtweg mehr Aufmerksamkeit um sich Ihnen verbunden zu fühlen.
Kuschel-Calls richtig vorbereiten
Nun gut, Sie nehmen sich also selber die Zeit und greifen zum Hörer. Den passenden Zeitpunkt haben Sie sich wohl überlegt. Und wie gehen Sie jetzt genau vor? Hier meine Praxis-Tipps für Sie:
1. Fakten sammeln (Do your homework)
- Gesamte bisherige Kommunikation durchforsten
- infos über Vertragsbestandteile und geleistete oder offene Bestandteile einholen
- Zahlungs- und Rechnungsinfos besorgen
- Welche andere Info wäre fehlt Ihnen möglicherweise bzw könnte in dem anstehenden Gespräch leicht erfragt werden?
2. Ziel des Gespräches vor Augen führen (Self-Priming)
- Sagen Sie es nötigenfalls laut zu sich selber, bevor Sie beginnen: “Ich freue mich darauf, jetzt Zeit in unsere persönliche Beziehung zu investieren. Dabei höre ich in erster Linie zu und werde mich in die Lage meines Gesprächspartners hineinversetzen. Jetzt geht es nicht um mich, nur um den anderen.”
- Sollten Sie eine spezifische Information wie z.B. persönliche Hobbies, Geburtsdaten oder andere Dinge in Erfahrung bringen wollen, die Sie in der zukünftigen Entwicklung Ihrer Beziehung weiterbringen, so sagen Sie zu sich: “Damit ich unserer Beziehung dienlich sein kann werde ich jetzt im Gespräch erfahren, ….”
3. Innere Einstellung überprüfen (Mind-Setting)
- Gebende Haltung einnehmen: Schauen ob alle Leistungen abgerufen wurden die auch gekauft wurden, ob es Einsparpotential für Ihren Kunden gibt oder wie mehr erreicht werden kann für den anderen (Das muss nicht immer mit Kosten verbunden sein! Gute Information oder Ratschläge reichen an dieser Stelle meist aus).
- Kurz durchatmen und diesen Satz laut sagen: “Ich freue mich jetzt auf Frau/Herrn XYZ, es geht jetzt nur um sie/ihn, um nichts anderes. Ich muss nichts verkaufen oder rechtfertigen, ich höre einfach nur zu und helfe schenke ihm/ihr 100% meiner Aufmerksamkeit.”
12 Profi-Tipps: Kuschel-Calls erfolgreich durchführen
Die Nummer ist gewählt, ihr Gesprächspartner ist dran. Und so kann es weitergehen….
- Fragen Sie ob der Anruf gerade passt (NIE fragen ob man stört, denn Sie als Geber stören nie!). Falls es nicht gut passt gerade fragen Sie einfach wann Sie denn am besten wieder anrufen sollen (geben Sie dem anderen die Zeit die er/sie braucht)
- An dieser Stelle kommt oft die Gegenfrage “Worum geht es denn genau?” Hier hilft die einfache Antwort: “Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, und dann bräuchte ich noch eine Info von Ihnen. Wollen wir das jetzt besprechen oder lieber ein ander mal?” Erneut, lassen Sie Ihrem Gegenüber die Entscheidung, denn für Ihren Kuschel-Call sollten Sie ein paar Minuten Luft haben.
- Solange Sie ungeübt sind hat sich ein vorsichtiges Herantasten sehr bewährt: “Ich will mit Ihnen nur einmal kurz überprüfen ob wir alle Daten für Sie korrekt aufgenommen haben …” Daran anschließend z.B. kurz gemeinsam die Aktualität der Kontaktdaten und Ansprechpartner überprüfen, Vertragsdaten durchgehen, und ggf auf Neuerungen in Ihrem Haus aufmerksam machen die in der Kundenbeziehung wichtig sind (Nein, KEINE Produkt-Angebote sondern ausschließlich Menschen-bezogene Infos, z.B.: “Ich oder Herr/Frau soundso sind noch bis Montag kommender Woche persönlich für Sie da, dann erstmal bis … im Urlaub”, oder: “Bei der jetzigen Umsetzung Ihres Vertrages werden Sie von Frau/Herrn XYZ unterstützt. Sollte es dabei irgendwie nicht so laufen wie Sie das mögen, bitte sagen Sie es mir, einverstanden?”
- Wenn Sie sich schon die direktere Gangart zutrauen bedanken Sie sich gerade heraus oder sprechen Sie Anerkennung aus: “Herr/Frau XYZ, ich möchte einfach mal Danke sagen dafür dass…. “, oder “Ich möchte uns beide einfach beglückwünschen, ich glaube wir haben eine gute Grundlage gelegt jetzt.”; “Mich hat sehr beeindruckt wie Sie in den letzten Tagen/Wochen….”; “Ich fand besonders Ihren Vorschlag xyz toll…”; oder: “Danke für die schnelle Bezahlung Ihrer Rechnung. Mir ist das vorhin positiv aufgefallen.”
- Stellen Sie Fragen nach der Zufriedenheit oder den Erwartungen, wie z.B.: “Wie zufrieden sind Sie mit unserer Zusammenarbeit?” “Was glauben Sie sollte sich jetzt als erstes für Sie ändern, jetzt wo wir zusammenarbeiten?” “Gibt es Dinge, die wir noch erreichen sollten?”
- Bleiben Sie offen und ehrlich im Gespräch und hören Sie genau hin, fragen Sie notfalls auch noch einmal nach und wiederholen Sie Formulierungen Ihres Gegenübers, um auch ganz sicher zu sein dass Sie verstanden haben worum es dem anderen geht: “Habe ich das richtig verstanden dass….” “Könnte man das auch so formulieren…”
- Sollten Ihnen Ihr Gegenüber von Problemen berichten, fragen Sie ganz genau nach was das Problem hinter dem Problem ist: “Ich glaube ich verstehe. Was ist dadurch bei Ihnen passiert, was hat das zur Folge gehabt”?
- Fragen Sie nach möglichen Lösungsansätzen, die der andere vielleicht schon sieht: “Wie sollten wir Ihrer Meinung nach dieses Thema denn bereinigen?” Und auch hier, die Frage nach dem Grund dahinter: “Wenn wir das behoben haben, wie sieht Ihrer Meinung nach die Situation denn dann aus? Was genau geht dann besser?”
- Sie können auch ein Zufriedenheits-Skala anbieten (besser als Schulnoten) “Auf einer Skala von 1 bis 10, wie zufrieden sind Sie bisher?”
- Sollte es Ihnen schwer fallen Gesprächsstoff zu finden, informieren Sie Ihr Gegenüber doch einfach über Neuerungen aus dem eigenen Haus (Aber Achtung: nicht in die Verkaufs-Routine verfallen, einfach nur auf dem laufenden halten, z.B. über wechselnde Zuständigkeiten oder neue Themen an denen Sie oder die Kollegen arbeiten und die Ihr Gegenüber interessieren könnten)
- Begreifen Sie jede Form der Unzufriedenheit als Chance. “Gut, dass sie dieses Thema angesprochen haben, mir war das nicht bewusst. Ich kann Ihre Sicht gut nachvollziehen.”
- Verabschieden Sie sich stets mit einer Zusage, die Sie auch einhalten können, z.B.: “Ich melde mich (dann-und-dann) wieder bei Ihnen. Dann werde ich…” und fragen Sie auch hier nötigenfalls um Einverständnis: “Ist es für Sie okay wenn ich mich (dann-und-dann) wieder bei Ihnen melde?” und BEDANKEN Sie sich: “Danke dass Sie sich die Zeit genommen haben.”
Wie Sie aus der obigen Aufstellung sehen, es gibt natürlich viele Wege die nach Rom führen. Probieren Sie einfach verschiedene Ansätze für sich aus, und…..
“Profi-Kuschler” üben ständig
…trauen Sie sich dabei, Fehler zu machen. Es ist wie bei allem Neuen: lieber gleich starten und mit Fehlern beginnen als in Schönheit sterben!
Machen Sie es wie die Profis: bleiben Sie dran und üben Sie Ihre ganz eigene Version der Kuschel-Calls. Sie werden mit der Zeit automatisch ein Gefühl entwickeln wie weit Sie gehen können, was in der jeweiligen Situation angemessen ist und welcher Stil zu Ihnen passt.
Natürlich ist auch das Anruf-Kuscheln vor allem eine ständige Überwindung der eigenen Hemmungen. Aber Sie werden belohnt: mit wertvollen, langlebigen Geschäftsbeziehungen. Und manchmal sogar mit Freundschaften fürs Leben!
PS: Sie sind noch unsicher? Üben sie doch zuerst einmal im Privaten: “Absichtsloses Anrufen” kann man auch erstmal bei Verwandten oder alten Freunden üben.
PPS: Sie sind Angestellter und haben wenig Außenkontakt? Denken Sie an Ihr eigenes Fortkommen und kuscheln Sie doch einfach mal Firmen-Intern. Es könnte Ihren persönlichen Karriere-Boost bedeuten!