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Im Sommer 2014 habe ich ein Aha-Erlebnis. Wir bekommen in Ludwigshafen gerade den Zuschlag für ein größeres Beratungsprojekt. Ich bin der erste Europäer im Team von Ferrazzi Greenlight, der Beratungsfirma des Best-Seller Autors von “Never-Eat-Alone”. Es geht für uns alle um eine Menge. Hohes Auftragsvolumen, erster großes Mandat auf deutschem Boden, neu zusammengestelltes Team.

Plötzlich steht Frank vor mir, reicht mir seine Visitenkarte. Unter seinem Namen steht “Senior Business Relation Manager BASF”. Da, direkt neben dem Logo eines deutschen Weltmarkführers! Da stand es geschrieben: Business Relationship Manager.
BRM als offizielle Berufsbezeichnung, großartig!

Seit Jahren bereits hatte ich den Begriff “Business Relationship Management” selber in meinen eigenen Workshops und Coachings verwendet. Ich wollte das Thema auch hierzulande griffiger und bekannter machen. Und dadurch für die dahinter liegende Idee und Philosophie werben. Und dann dieser an sich unspektakuläre, aber für mich selbst ganz große Moment der Genugtuung.
“Ja es gibt uns, die BRMs, die Business Relationship Manager dieser Welt” so schoß es mir damals durch den Kopf. Ich fühlte mich nicht mehr alleine, wußte instinktiv dass mein vor vielen Jahren eingeschlagene Weg der richtige ist.
 
Und dennoch, die Disziplin des BRM ist noch sehr jung. Mit allen damit verbundenen Vor- und allen Nachteilen.

Definition von BRM als Fachgebiet noch am Anfang

 Wie so oft bei neuen Management-Ansätzen stecken wir noch mitten in der Definitions-, der Selbsfindungphase.
  
So, wie ähnlich wie das zunächst auch mit inzwischen längst etablierten BWL-Begriffen wie z.B. “Marketing”, “Innovations-Management” oder “Corporate Culture” vonstatten ging: plötzlich als Buzz-Words in aller Munde, alle reden davon, aber wenige wissen eigentlich genau (oder scheren sich darum) was genau damit gemeint sein soll.
Erst Ende 2013 taucht die erste Defintion von BRM bei Wkipedia auf, damals initiert durch einen asiatischen Banker. Und seitdem ist die Diskussion im Gange, die Enzyklopädie meldet aktuell “serious issues” und fordert zur Beteiligung an der Einordung dieser neuen Disziplin auf.
 
Immerhin, BRM als Terminus scheint immer deutlicher in Richtung “Business” verstanden zu werden. Aus meiner Warte ist das begrüßenswert.
 
Denn das war nicht immer so.

BRM zuerst im IT-Umfeld verwendet

Zeitlich gesehen taucht Business Relationship Management als Begriff zunächst einmal  im IT-Umfeld auf.
IT-Verantwortliche sahen sich seit der Jahrtausendwende zunehmend dazu veranlasst verschiedene digitale Prozesse aufeinander abzustimmen. Durch vermehrtes Outsourcing mussten immer stärker auch extern Dienstleister mit in die Geschäftsabläufe integriert werden. Hierdurch entstand ein deutlich erhöhter Koordinations- und Kommunikationsbedarf zwischen allen Beteiligten.
 
Inzwischen ist auch für die IT-Profis der Kunde in den Vordergrund gerückt, wobei es interne wie extern Kunden geben kann. Vor allem im deutschsprachigen Raum hat sich jedoch ein relativ mechanistischer Ansatz des “Relationship Management” herausgebildet: es geht darum, Prozesse zu managen. Punkt (siehe Abbildung).

Eigenes BRM Institut in den USA gegründet

Dank der Arbeit des 2013 gegründeten New Yorker Business Relationship Management Institute BRMI entwickelt sich zumindest für den dortigen Markt eine stärkere interdisziplinäre Sicht der Dinge. 
Es geht inzwischen um die internen Beziehungen innerhalb praktisch aller Abteilungen von Organisationen, also Finanzen, Produktion, Vertrieb, HR, usw. und eben nicht nur IT. Ähnlich einem internen Vermittler oder einer Art von Diplomat geht es darum Verständnis zu entwickeln, nicht-geteiltes Wissen zu heben und durch eine verbesserte Zusammenarbeit neue Werte zu schaffen.
Bemerkenswert ist die vom BRMI aufgezeigte idealtypische Vorgehensweise, die einem Business Relationship Manager anhand gegeben wird:
 
BRMI 4-Säulenmodell

4 Säulen des BRM (Copyright Business Relationship Management Institute)

 
 
  • Qualifikation der Nachfrage
  • Bedarfs-Ermittlung
  • Leistungserbringung
  • Nutzen-Wahrnehmung
 
 
 
 
 
 
 
 
  
Im Kern ähnelt dieses Vorgehen sehr stark klassischen Vertriebs-Konzepten, wobei das eigentliche Produkt oder der Service von einer Abteilung an die andere geliefert wird. In Form von verbesserten Prozessen oder neuen Dienstleistungen. 
Das BRMI betreibt sogar eine eigene Stellenbörse um das Berufsbild des BRM nach vorne zu bringen.
Bei genauerem Hinsehen ist die IT-Lastigkeit der frühen Anfänge der BRM Disziplin aber nicht zu leugnen. Oft geht es im Kern darum im Auftrag der eigenen IT-Abteilung besseren Service für die anderen Fachabteilungen zu ermöglichen. 
Dies war übrigens auch die Fragestellung, die wir in unserem Projekt bei BASF vorfanden: entweder der interne Service-Level wird spürbar verbessert oder es droht Verschlankung oder gar Outsourcing.

Öffnung des BRM Begriff nach außen erforderlich

Aus meiner  Erfahrung greift die bisherige Diskussion zu kurz. Es ist es an der Zeit das Konzept des “Business Relationship Management” als neue Diszplin innerhalb der BWL zu erweitern. 
Nicht nur das Vernetzen interner Abteilungen und das Heben von Wissens-Silos in den Vordergrund zu stellen, wie es bislang der Fall ist. Sondern sich auch um die Welt da draußen zu kümmern. 
Hierfür gibt es zwei wesentliche Gründe: sie heißen Outsourcing und Digitalisierung

Gute Beziehungen immer öfter mit externen Partnern erforderlich

Immer mehr Firmen lagern immer mehr Geschäftsprozesse an Dritte aus. Dieser Trend ist nicht mehr aufzuhalten und wird immer globaler. 
Außerhalb der eigentlichen Führungsaufgabe in Unternehmen gibt es inzwischen so gut wie nichts mehr was nicht outgesourced, also von hochspezialisiert arbeitenden Externen erledigt werden könnte. Und auch wird.
Ob es nun das Einstellen, Entwickeln oder Anlernen des Personals ist, die gesamte Beschafftungsseite vom Rohstoff über Halbfertigprodukte oder sogar komplett verkaufsfertige Waren, ob es der Vertrieb oder das Marketing ist (offline oder online), das Fulfillment, die Logistik, das Inkasso, der Kundenservice oder die Wartung und das Retouren-Management.
Die Marken-Entwicklung, die Qualitätssicherung, die Sicherheit, für das Essen, die Sauberkeit, den Raumduft und das Wohlbefinden. Für alles gibt es Dienstleister.
Die Frage “make or buy” geht immer öfter zugunsten von Spezialfirmen aus. Die Zahl der eigenen Abteilungs-Services nimmt folglich tendenziell ab. Und im Umkehrschluß wächst der Bedarf an Koordination und internem und eben auch externem Relationship Management.
Business Relationship Management ist folglich zunehmend “nach draußen hin” gefragt.
Die hierbei drohenden Reibungsverluste zu minimieren oder, positiv ausgedrückt, die im Outsourcing möglichen Potentiale und das ausgelagerte Know How zu nutzen wird immer mehr zur Überlebensfrage.
Vor diesem Hintergrung macht es für erfolgreiches BRM also viel Sinn von den ohnehin nach Extern orientierten Firmen-Abteilungen zu lernen:
Dem Vertrieb, dem Marketing und der Kommunikation.

Fortschreitende Digitalisierung verstärkt die “Fehlerquelle Mensch

Je vernetzter wir arbeiten, desto komplexer und verletzlicher werden unsere Systeme. Unsere Geschäftsgeheimnisse sind in der Cloud, unsere Produkte werden in Asien gefertigt, unsere Spezialisten weltweit rekrutiert.
Stellen Sie sich nur die Risiken eines Server-Ausfalls für Firmen wie Ryanair oder Booking.com vor.
Oder die Auswirkungen von Lebensmittel-Verunreinigungen oder toxischen Substanzen in Mode-Artikeln für die entsprechenden Handelspartner.
Verstärkt durch eine inzwischen rasend schnelle digital Kommunikations-Infrastruktur geht es in Krisenfällen dabei immer weniger um “richtig” oder “falsch”.
Sondern vor allem um Reaktionsgeschwindigkeit und persönliche Glaubwürdigkeit im Handeln.
Die Fehler Einzelner können vor diesem Hintergrund viel größeren Schaden anrichten als je zuvor.
 
Aber auch wenn Entscheidungen inzwischen häufig in Teams gefällt werden (übrigens auch hier immer häufiger  in virtuellen Teams und in digitalen Umgebungen). Auch dann ist das noch keine Garantie für Erfolg. Die groß angelegte “Projekt Aristoteles”-Studie von Google aus dem Jahr 2012 über die Performance von Teams zeigte z.B. dass es nicht allein auf die Qualität der einzelnen Team-Mitglieder ankommt. Vielmehr stehen für die besten Teams “softe” Dinge im Vordergrund. Dinge wie ungeschriebene Gruppen-Normen oder hohe “soziale Sensibilität”.
Sind diese Zutaten nicht vorhanden so versagen auch Teams und Netzwerke. Mit unübersehbaren Konsequenzen für eine vernetzte Welt.

“Interpersonal Trust Building” als Teil des BRM

Die Berücksichtigung der handelnden Personen, der Menschen die sich mit Relationship Management beschäftigen, macht also Sinn. Ohne gegeseitiges Verständnis und Vertrauen gelingt es uns vor allem in Krisen-Szenarien kaum angemessen zu reagieren.
 
BRM als junge Disziplin muss sich mit den Menschen auseinandersetzen: wie bauen wir Vertrauen zueinander auf, das zu Ergebnissen führt?
DAS ist aus meiner Sicht einer der Leitfragen des modernen Business Relationship Managements!
Warum also zur Beantwrortung dieser Frage nicht den bereits ebenfalls gut erkennbaren Bereich der Ratgeber um das Thema “Trust Building” hinzuziehen? 
Hier gibt es bereits seit Jahren einen sehr praxisnah arbeitenden Kreis an Spezialisten, deren Expertise vor allem von vielen Praxisbeispielen, von Story-Telling und Case-Studies lebt. Es sind Klassiker dabei wie Dale Carnegies “How to win friends”, die schon Muster im menschlichen Verhalten erkannten und zu nutzen wußten. Weitere Vertreter der Jetzt-Zeit sind z.B. Andrew Sobel oder Charles Green.
Aber auch der Kreis der forschungsorientierten Experten wächst ebenfalls weiter an. Sie studieren Team-Verhalten, emotionale Intelligenz und psychologische Entscheidungsprozesse. Alles essentiell für erfolgreiches Beziehungs-Management. Hier können die Ansätze aus der positiven Psychologie genannt werden, die in den Arbeiten des Gallup Institute Niederschlag gefunden haben. Oder die Arbeiten rund um Daniel Goleman, die emotionale und soziale Kompetenz als Kernpunkte menschlichen Erfolgs hervorheben. 

Business Relationship Management reloaded

Zusammenfassend zeigt die nebenstehende Grafik worum es geht. Die noch junge Disziplin des BRM muss menschliche Verhaltensweisen berücksichtigen und auch auf externe Partner gerichtet sein. Aus

dieser Perspektive wäre das schon länger bekannte CRM, also das reine Customer Relationship Management, nur EINE der Formen des Business Relationship Management: ausgerichtet auf die wichtigsten externen Partner, die Kunden.

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BRM Business Relationship Management bei Wikipedia

Business Relationship Management bei Wikipedia (Janur 2018)